10.04.2020 - Markus Müller
Praxisbericht: Carsharing mit Elektroauto
Carsharing wird immer beliebter. Die Vorteile überzeugen immer mehr Leute, auf ein eigenes oder ein zusätzliches Auto zu verzichten.
Mit Elektrofahrzeugen ist Carsharing noch besser. Zum einen sinkt die Umweltbelastung, damit wird der ökologische Fußabdruck der Nutzer kleiner. Zum anderen haben Elektrofahrzeuge aber auch für die Betreiber Vorteile, z.B. sind die Wartungskosten niedriger und genauer kalkulierbar.
Da wir für zwei Tage ein zusätzliches Auto benötigt haben, haben wir ein Carsharing-Elektroauto ausgeliehen. Im Folgenden berichte ich darüber.
Wir sind als 5-köpfige Familie seit etwas mehr als drei Jahren elektrisch unterwegs, wenn wir Auto fahren. Zuerst in einer Renault Zoe, fahren wir mittlerweile einen Kia e-Niro, der für drei größer werdende Kinder auf der Rückbank etwas geeigneter ist.
Prinzipiell kommen wir mit dem einen Auto zu 99 % zurecht. Hauptsächlich nutzt es meine Frau, um zu ihren Diensten ins Krankenhaus zu kommen, sowie wir beide für die üblichen Erledigungen und gelegentlichen Ausflüge mit allen Familienmitgliedern. Die beiden großen Kinder und ich, wir können mit den Fahrrädern zur Schule und auf Arbeit fahren.
Jetzt stand eine Fahrt zu meinen Eltern an, welche circa 180 km entfernt wohnen. Gleichzeitig hatte aber meine Frau Wochenenddienst und so war unser Auto "gebunden".
Schon seit ca. 10 Jahren sind wir Kunden beim örtlichen Carsharing. Leider werden hier in Heidenheim aber nur Verbrennerfahrzeuge angeboten. Und wie das so ist, wenn man sich einmal ans elektrische Fahren gewöhnt hat, will man nicht mehr Verbrenner fahren, wenn es nicht unbedingt sein muss ;-)
Seit ca. 1/2 Jahr bieten die Technischen Werke Herbrechtingen auch ein Carsharing-Fahrzeug an und zwar ein Elektroauto von swu2go. Das ist zwar ein paar km weiter weg als das Verbrenner-Carsharing-Auto hier um die Ecke, aber für eine längere Fahrt nimmt man gerne etwas mehr Umstände auf sich, wenn es dann elektrisch geht. Das Fahrzeug hat einen festen Standort an der Ladesäule in der Ortsmitte. Man kann das Fahrzeug dort abholen und muss es nach Nutzung wieder dort abstellen.
Also war die Entscheidung gefallen.
Bevor wir das Fahrzeug nutzen konnten, mussten wir uns aber erst neu bei swu2go registrieren, da der örtliche Anbieter keine sogenannte Quernutzung mit swu2go anbietet.
Was ist Quernutzung? Man hat einen Kunden- oder Nutzungsvertrag mit einem Anbieter (A), bei dem die Kundendaten, wie Führerschein und Zahlungsdaten, hinterlegt sind. Viele Anbieter haben Nutzungsabkommen mit anderen Anbietern. Dadurch erhält man als Kunde/Nutzer die Möglichkeit, auch die Fahrzeuge vieler anderer Anbieter nutzen zu können. Das ist v.a. dann interessant, wenn man beispielsweise an einem anderen Ort ist und zeitweise ein Fahrzeug benötigt. Man leiht dann das Carsharingfahrzeug von Anbieter (B) aus. Die Reservierung und Freischaltung erfolgt über die vorhandenen Kundendaten. Anbieter (B) rechnet die Nutzung mit Anbieter (A) ab, welcher dann die Abrechnung in gewohnter Form mit dem Kunden macht. Die Vorteile der Quernutzung liegen auf der Hand; Eine deutlich größere Anzahl an verfügbaren Fahrzeugen und eine größere räumliche Abdeckung. Und man muss sich nicht bei vielen Anbietern anmelden, sowie die Kundendaten nur einmal hinterlegen. |
Die Anmeldung war problemlos möglich, wenn es auch ein bis zwei Tage benötigt hat, bis dies erledigt war. Das sollte man ggf. bedenken, falls man sich spontan entscheidet auch Carsharing zu nutzen.
Das Anmeldeformular ist auf der Homepage verfügbar und war schnell ausgefüllt. Einmal mussten wir zur Vorlage des Führerscheins an die Pforte des Rathaus in Herbrechtigen. Hier wurde auch der RfID-Chip auf den Führerschein aufgeklebt, mit dem sich die Fahrzeuge öffnen lassen.
Mit der Zusendung der Bestätigungs E-Mail mit Kundennummer und dem Start-Passwort war die Registrierung dann abgeschlossen.
Um ein Fahrzeug nutzen zu können, muss man dieses Buchen bzw. Reservieren. Dies geht prinzipiell auch spontan, d.h. von jetzt auf gleich, vorausgesetzt das Fahrzeug ist verfügbar, d.h. nicht von einem anderen Nutzer belegt. Bei den meisten Carsharing-Anbietern kann man die Fahrzeuge telefonisch, über eine Webseite oder per Smartphone-App buchen. Am einfachsten ist wohl die Nutzung über die App, da hier die Anmeldedaten hinterlegt werden können und man so schneller auf das Buchungssystem und seine Kundendaten zugreifen kann. Auch Standortfunktionen, wie "freie Fahrzeuge in der Nähe" oder "Navigation zum Fahrzeug" sind hier z.T. verfügbar.
Die eigentliche Buchung erfolgt weitestgehend selbsterklärend. Man sucht sich ein Fahrzeug aus, prüft die Verfügbarkeit und wählt einen Start- und Endzeitpunkt aus. Auch eine Auswahl eines Zeitraumes und Anzeige der dann verfügbaren Fahrzeuge ist möglich. Vor dem Abschluss der Buchung wird noch der sogenannte Zeitpreis angezeigt, d.h. was die Nutzung ohne ggfs. km-abhängige Gebühren kostet.
Die Installation und Buchung über die App, hier "Carsharing Deutschland", ging problemlos vonstatten. Nebenbei bemerkt lassen sich hierüber Fahrzeuge in ganz Deutschland, mit Schwerpunkt Südwestdeutschland nutzen.
Eine nachträgliche Änderung der Buchung ist prinzipiell auch möglich. Bei einer Verkürzung der Buchungszeit oder Stornierung sind die entsprechenden Bedingungen zu beachten (meistens Teilerstattung). Eine Verlängerung der Nutzungszeit ist vor und während der Nutzung möglich, wenn das Fahrzeug nicht bereits "verbucht" ist.
Jetzt nur noch nutzen:
Also hin zum Fahrzeug, und eingestiegen.
Das Öffnen des Fahrzeugs geschieht meistens mit einem RfID-Chip, entweder per separater Chip-Karte, wie hier per aufgeklebtem Chip, oder auch über die App. Für die RfID-Chips ist in den Fahrzeugen hinter der Windschutzscheibe ein Lesegerät verbaut. Man hält den Chip ein bis zwei Sekunden davor und wenn man berechtigt ist - *Klack" - die Zentralverriegelung öffnet die Türen. Der normale Fahrzeugschlüssel befindet sich meistens im oder neben dem Handschuhfach und ist in einem Bordcomputer eingesteckt. Diesen Schlüssel entnommen, ist man "eingecheckt" und kann losfahren. Vorher aber, da wir ja ein Elektroauto-Carsharing gewählt haben; Ladekabel abstecken und im Kofferraum verstauen. Im Kofferraum befindet sich übrigens, wie in vielen Carsharingautos die wir bisher genutzt haben, auch eine Kindersitzerhöhung, falls benötigt.
Das Fahrzeug, das wir hier genutzt haben, ist übrigens eine Renault Zoe Z.E.50, also das aktuelle Modell. Fast neu mit nur 1500 km auf dem Tacho. Die Zoe wird seit 2012 in im Groben 3 Evolutionsstufen gebaut und ist eines der beliebtesten Elektrofahrzeuge in Europa und Deutschland. Die Normreichweite beträgt 386 km, die vom Hersteller angegebene realistische Reichweite 250 km. Auf dem Tacho stehen beim Start 318 km bei vollem Akku und einstelligen Temperaturwerten.
Übrigens: über den Artikel, d.h. "der" oder "die" Zoe, da kann man beherzte Streitgespräche führen. Wir finden, es klingt schöner und außerdem ist "Zoe" doch ein weiblicher Vorname, andere meinen der Name stammt vom grieschischen Wort für "Leben oder Lebewesen" ab... ;-) Aber jeder nach seinem Geschmack.
Wir haben ja schon eine Zoe der vorhergehenden Generation selber gefahren und finden uns gleich zurecht. Ansonsten ist die Nutzung aber wie ein normales Auto. Wenn man mit einem Verbrennerfahrzeug vergleichen will, wie ein Fahrzeug mit Automatikgetriebe. Die Anzeigen sind gut ablesbar, alles schnell gefunden. Viel "Schnickschnack" findet man in der niedrigsten Ausstattungsvariante eh nicht. Auch einen optional verfügbaren DC-Ladeanschluss hat dieses Fahrzeug hier nicht zu bieten. Damit ist Laden mit "nur" 22 kW an AC-Ladestationen mit dem beiliegenden Typ2-Kabel möglich, aber keine sogenannte Schnellladung an CCS-Ladesäulen, wie sie häufig an Autobahnen oder Fernstraßen zu finden sind. Dadurch ist das Laden des 50 kWh-Akkus nichts für eine schnelle Pause unterwegs. Etwas schade, dass das hier bei dem Carsharing-Fahrzeug eingespart wurde. Wäre es sonst doch durchaus auch für weitere Urlaubsfahrten geeignet.
Bei Carsharing-Fahrzeugen sind ja die Energiekosten im Preis enthalten. D.h. man muss fürs Tanken oder Laden nichts bezahlen. Hierfür findet man normalerweise eine Tank- oder hier Ladekarte im Auto, mit der der Sprit oder Strom direkt vom Anbieter bezahlt wird. Hier bei swu2go ist es eine Ladekarte des Ladenetz-Verbundes. In diesem Verbund sind über 27.000 Ladepunkte in Deutschland und hauptsächlich BeNeLux zugänglich. Andere Ladesäulenanbieter lassen sich leider nicht nutzen, was etwas schade ist. Hier wäre schön noch eine weitere Ladekarte mit allgemeiner Abdeckung im Fahrzeug zu haben.
Das Fahren mit dem Carsharing-Elektroauto war ruhig unspektakulär. Wenn man eher Verbrennerfahrzeuge gewohnt ist, dann fällt einem natürlich das ruhige und ruckelfreie Dahingleiten auf. Die Beschleunigung ist für das eher nicht so sportlich anmutende Fahrzeug typisch üppig für Elektroautos; das volle Drehmoment von Null ab, ohne Verzögerung und Schaltpausen. Damit ist man in der Stadt ruckzuck auf 50 km/h und Überholmanöver oder das Einfädeln in den fließenden Verkehr sind ohne Nervenkitzel oder lichthupende Co-Verkehrsteilnehmer möglich.
Außer, vielleicht eine Anekdote; Vor drei Jahren, als wir zum ersten Mal mit unserer damals neuen Zoe eine Familien-Osterfahrt zu den Eltern gemacht haben, sind wir durch einen Ort kurz vor dem Ziel gefahren und von der Rückbank kam auf einmal der Ausruf: "Mama, Papa ich habe eine Amsel gehört". Das waren wir natürlich nicht gewohnt vom Verbrenner, dass man bei geschlossenen Fenstern im Auto die Vögel von draußen zwitschern hört. Jetzt sind wir dieses Jahr wieder die gleiche Strecke gefahren und ich habe noch bei Einfahrt in den Ort gesagt: "Wisst Ihr noch die Amsel?", und dann tatsächlich bei Vorbeifahrt an einem gelb blühenden Forsythienbusch war ein deutlich zu vernehmenden Gezeter von einer größeren Vogelanzahl zu hören, zwar keine Amsel, aber ein schönes Déjà-vu. |
Im Ort, wo meine Eltern wohnen gibt es zwar 6 Ladesäulen, diese sind über die Ladekarte des Carsharing-Autos aber nicht nutzbar. Weitere nutzbare Säulen in Nachbarorten wären möglich gewesen, aber dafür war ich zu bequem. Oder ich hätte über eine unserer Ladekarten bzw. per App laden können. Ich entschied mich jedoch zum Laden über die mobile Wallbox in der Garage meiner Eltern, denn Strom gibt es schließlich überall und hier sogar einen Drehstromanschluss. Mit 11 kW geladen war der Akku bereits nach 3,5 Stunden wieder voll. Laden über die normale Haushaltssteckdose wäre auch möglich gewesen, dann hätte der Ladevorgang etwa 8-9 Stunden gedauert. Hätte auch locker gereicht.
Am nächsten Tag dann die lautlose Rückfahrt hat wieder ohne Probleme geklappt.
Hier nochmals eine Anekdote; Ein paar km vor Heidenheim fängt der Carsharing-Bordcomputer plötzlich an zu sprechen und weist darauf hin, dass der Tank nur noch 25 % Füllstand hat und man vor Abstellen des Fahrzeugs diesen wieder auffüllen sollte. Hier ist es aber natürlich kein Tank, sondern die Batterie, die inzwischen auf 25 % nutzbare Energie gesunken ist. Und natürlich muss man - beim Elektroauto-Carsharing - das Auto nicht wieder aufgeladen am Standplatz abstellen, denn da steht ja eine Ladesäule. Der Bordcomputer, bzw. die Programmierung dessen, ist halt noch ein Relikt aus "vergangenen Carsharing-Tagen" mit Verbrennerfahrzeugen. |
Nach der Fahrt das Auto wieder zum Standplatz an der Ladesäule gebracht und angesteckt. Der Autoschlüssel muss bei Rückgabe wieder in den Bordcomputer gesteckt werden, erst dann kann man das Fahrzeug wieder mit dem RfID-Chip von außen verschließen.
Vorher sollte man nochmal seinen Blick durchs Fahrzeug schweifen lassen, ob man auch keine eigenen Sachen vergessen hat und ob das Fahrzeug sauber ist. Frei nach dem Universal-Motto "Verlasse einen Ort so, wie Du ihn vorfinden möchtest" sollte man groben Schmutz entfernen. Bei normaler Nutzung reicht aber das Ausklopfen der Fußmatten oder Krümel von den Sitzen kurz abzukehren.
Das war's. Alles lief problemlos.
Für uns eine perfekte Lösung, wenn mal ein Auto nicht reicht. Genauso umweltfreundlich und leise wie mit dem eigenen Elektroauto.
Carsharing mit Elektroauto ist für viele eine interessante Lösung, sei es um einmal Elektroauto im Alltag oder Urlaub auszuprobieren, sei es um dem eigenen Mobilitätsbedarf zu dienen.
Übrigens als Fausformel; unter einer Jahreskilometerleistung von etwa 7.500 km ist Carsharing generell für den Nutzer günstiger, als ein eigenes Auto vorzuhalten. Und man hat "koa G'schäft" (schwäbisch für "man muss sich nicht drum kümmern") mit Terminen für Wartung oder Hauptuntersuchung, mit Räderwechsel, Kümmern um die günstigste Versicherung, Fahrzeugreinigung, etc.
Also; am besten einfach mal ausprobieren.