18.08.2020 - Solar mobil Heidenheim e.V.

Ladepark Zusmarshausen im Sortimo Innovation Park

In Zusmarshausen an der Autobahn A8 zwischen Ulm und Augsburg wird zur Zeit der aktuell größte Ladepark für Elektroautos gebaut. Aber es ist nicht nur eine große Anzahl von Ladesäulen, sondern wird zusätzlich auch Cafés und Geschäfte, sowie Büros und Besprechngsmöglichkeiten bieten. Die Energieversorgung der Gebäude und Ladesäulen soll überwiegend lokal bzw. regional erfolgen.

Bereits im Mai 2019 hat die SÜDWEST PRESSE darüber berichtet unter Bayern hat bald die größte Ladestation für E-Autos in Deutschland.

Am 01.08.2020 erschien in der SÜDWEST PRESSE in der Serie "Nachhaltige Mobilität" ein Interview mit Frank Steinbacher, dem Planer des Projekstes, welches wir mit freundlicher Genehmigung der SWP hier wiedergeben dürfen.

Stehen erst am Anfang der Entwicklung

Frank Steinbacher ist überzeugt: Dem elektrischen Antrieb gehört die Zukunft. Im Interview spricht der Ingenieur über moderne E-Autos, Mobilität als Wirtschaftsfaktor und Künstliche Intelligenz. Von Helga Mäckle

Das Interview mit dem E-Mobilitätsexperten Frank Steinbacher führen wir bei einer Probefahrt mit einem von zwei E-Bussen, die seit Mitte Juli auf der Strecke von Zusmarshausen zur Uniklinik Augsburg verkehren. Für Steinbacher ein Beweis, dass Mobilität regional und nachhaltig funktioniert, denn das Aufladen der Busse erfolgt über den gesamten Tag automatisch abgestimmt für einen möglichst hohen Bezug an Solarstrom. Der Ingenieur, der natürlich ein E-Auto fährt, freut sich sichtlich am geringen Geräuschpegel des E-Busses, erkundigt sich beim Fahrer über das Fahrverhalten.

Wenn Sie schalten und walten könnten, wie Sie wollen: Wie sieht Mobilität 2030 aus?

Frank Steinbacher: Dann hat sich die Welt auf den effizientesten Antrieb verständigt. Das ist und bleibt der elektrische Antrieb. Alle würden konsequent darauf setzen, die Mobilität darauf ausrichten und den Energiebedarf dafür aus regionalen, nachhaltigen Energieträgern decken.

Wenn der E-Antrieb seit jeher effizienter ist, warum hat er sich nicht schneller gegen fossile Energieträger durchgesetzt?

Sicherlich brauchen technische Erneuerungen Zeit, aber hätte die Bundesregierung nur die jährlichen rund acht Milliarden, die sie in Diesel-Privilegierungen steckt, in den E-Antrieb investiert, wären wir heute viel, viel weiter. Ganz abgesehen von vielen Milliarden, die in Öl- und Gasversorgungsinfrastruktur für unsere Mobilität gesteckt werden. Vielen Leuten ist gar nicht klar, was ein Liter Benzin oder Diesel ohne diese Subventionierungen aus dem Staatssäckel kosten würde. Den Menschen muss bewusst werden, dass wir mit einem so wichtigen Infrastrukturträger, einem so wichtigen Wirtschaftsfaktor, wie der Mobilität mit dem elektrischen Antrieb zum ersten Mal in der Lage sind, unabhängig vom Ausland zu agieren.

In Zusmarshausen entsteht Deutschlands größter Energie-Mobilitäts-Hub. Die Idee: effizient, nachhaltig und regional Mobilität und Energie zu verknüpfen.
Wie das?

Wenn alle Fahrzeugplattformen elektrifiziert werden – vom Auto über Bus und Lkw, bis zum Fahrrad – haben sie die eine gemeinsame Schnittstelle: dort, wo der Strom bezogen werden kann. Hier in Zusmarshausen wird der Strom mit einer großen Photovoltaikanlage auf dem Dach der Produktionshallen von Sortimo produziert und ohne Umwege in den Innovationspark geleitet. Hier ist die Schnittstelle, der zentrale Punkt, an dem der Mensch zwischen verschiedenen Mobilitätsformen wählen können muss.

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Bis zu 4000E-Autos täglich können hier geladen werden. Die meisten Verkehrsexperten sagen, dass der Individualverkehr künftig eingeschränkt, der
ÖPNV ausgebaut werden muss.

Ich bin kein Freund von Einschränkungen. Ich glaube vielmehr, dass wir die Individualmobilität besser gestalten müssen. Wir müssen über andere Fahrzeugkonzepte nachdenken: Brauchen wir immer den Fünfsitzer? Brauchen wir eine andere Art von Fahrzeugen, die weniger Flächen verbrauchen? Stichwort Drohnen. Wir müssen an besagten Schnittstellen Übergänge schaffen: Die müssen für jeden jederzeit so funktionieren, dass der Mensch bereit ist, seine individuelle Mobilität zugunsten einer anderen zurückzustecken. Die muss zumindest also vergleichbar oder gar besser und günstiger sein.

Das hört sich mehr nach einer Lösung für Städte an, weniger für den ländlichen Raum.

Nein. Sehe ich überhaupt nicht so. Denn solche Energie-Mobilitäts-Hubs sind im ländlichen oder peri-urbanen Raum, also dem den Städten vorgelagerten Raum, viel besser umzusetzen. Alleine wegen der nötigen Fläche. Ein Pendler aus dem ländlichen Raum hat zudem keine Alternative: Er muss die Wege zurücklegen und ist daher eher bereit, sein Mobilitätsverhalten zu ändern. Anders als der Städter, der vieles fußläufig erreichen oder kurze Strecken mit dem Rad zurücklegen kann. Der urbane Raum muss andere Konzepte finden, hier brauchen ÖPNV und Individualmobilität neue Schnittstellen.

E-Mobilität ist nur sinnvoll, wenn man die Energie vor Ort produziert und nicht Strom aus dem Atomkraftwerk in Frankreich kauft?

Das ist zwingend. Gerade im Hinblick auf Photovoltaikanlagen ist auch hier der ländliche Raum im Vorteil. Oder sehen Sie sich die Windräder auf der Alb an. Wenn es um die Produktion nachhaltiger Energie geht, hat es die Stadt schwerer. Wobei es auch dort noch mehr als genug Dachflächen gibt, die für PV-Anlagen genützt werden können.

Fridays for Future haben dem Thema E-Mobilität viel Auftrieb verschafft. Hat das Corona zunichte gemacht?

Die Diskussionen über den Klimawandel haben gut getan. Und so blöd es sich anhört, auch Corona: Die Leute haben mal wieder Zeit gehabt, in die Zukunft zu schauen. In Ruhe darüber nachzudenken, wo die Reise hingehen soll, auch in den Betrieben, für die Mobilität und Energie entscheidende Zukunftsfragen sind. Und klar ist bei dem Thema auch: Es braucht Zeit, die Infrastruktur für E-Mobilität aufzubauen.

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Bessere Infrastruktur, mehr Autos – wird E-Mobilität künftig günstiger?

Definitiv. Auch bei E-Autos gilt: Umso größer die Stückzahlen werden, umso günstiger werden die Produkte. Alles eingerechnet ist ein batterie-elektrisches Auto schon jetzt günstiger als jeder Verbrenner. Die neue Bundesförderung eingerechnet, kriegen Sie inzwischen gute E-Autos mit Reichweiten bis 500 Kilometern für unter 20000 Euro.

Gegen E-Autos wird häufig die vermeintlich geringe Reichweite ins Feld geführt. Zu Recht?

Das ist oft eine einfache Entschuldigung, warum es vermeintlich nicht funktioniert. Es dauert gerade mal 15 bis 20 Minuten, ein Auto hier am Innovationspark vollzuladen. Bei langen Fahrten, etwa in den Urlaub, ist eine viertelstündige Pause schon mal drin. Und es kommen immer mehr Autos mit größeren Reichweiten auf den Markt. Wir stehen ja erst am Anfang der Entwicklung.

Die haben die deutschen Autobauer bisher ziemlich verschlafen oder?

Sie haben dem Ausland, vor allem China, zumindest viel Zeit gegeben, sich auf die neue Technologie einzuschießen. Die sind schon deutlich weiter.

Der Freistaat Bayern fördert die Entwicklung einer Künstlichen Intelligenz (KI) für den Innovationspark mit drei Millionen Euro. Was soll diese leisten?

Die KI hat die Aufgabe, den Ladebedarf über den Tagesverlauf zu prognostizieren. Die Produktion der Firma Sortimo, ihr Fuhrpark, die Logistik, der Mitarbeiter-Fuhrpark und dann natürlich die Kunden der Ladetankstellen: Daraus wird sich über die Zeit ein Verhältnis von Energiebezug und Energienutzung ergeben. Die KI hat die Aufgabe, das tagesgenau vorauszusagen. Zusätzlich erhält sie die Daten aus der PV-Anlage und versucht anhand dieser Parameter, die Energieverteilung so zu steuern, dass der regional erzeugte Strom zu 70 bis 80 Prozent ausreicht, um alles abzudecken.

Können Sie das an einem Beispiel erklären?

Nehmen Sie den Fuhrpark von Sortimo. Dem Unternehmen ist es egal, ob der Firmenwagen auf dem Parkplatz von 10 bis 12 oder von 14 bis 16 Uhr geladen wird. Ziel ist immer, die Energie, die wir zu einem bestimmten Zeitpunkt aus der PV-Anlage bekommen, möglichst schnell in die Fahrzeuge zu kriegen. Weil wir hier viele verschiedene Nutzer haben, können wir spielen, wer wann den Strom kriegt. Und es kann vor allem an jedem Ladepunkt schnell geladen werden – denn wenn die Sonne scheint oder der Wind bläst, muss die Energie in die Fahrzeuge.

Nachhaltigkeit endet nicht mit der cleveren Nutzung von Strom.

Nein. Man muss alles konsequent weiterdenken. So nutzen wir hier auch die Abwärme aus der Ladetechnik zum Heizen der Gebäude und des Brauchwassers. Auch dafür mussten wir ganz neue technische Lösungen entwickeln. Übrigens: Auch Energieeffizienz ist Nachhaltigkeit. Jeden Strom, den wir nicht benötigen, müssen wir nicht produzieren.

 

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