07.07.2020 - Conrad Rössel
Fakten gegen Fakes - Kobalt in der Elektromobilität
"Elektromobilität=Kobalt=Kinderarbeit" ist seit geraumer Zeit so was wie Allgemeingut und Dauer-Argument, wie wir aus Gesprächen und Medien leider immer wieder erfahren müssen.
Letzte Beispiele: "Leiden für das Elektroauto" - "Kobaltabbau im Kongo", Südwestpresse Ende 2019; "Saubere Autos, schmutzige Batterien - Kobaltabbau im Kongo" aktuell 2020 im ZDF. -
Was ist der Hintergrund all dieser Schlagzeilen?
Nach meiner Kenntnis wurde das so in Umlauf gebracht und transportiert durch Presse-meldungen 2016/17 von amnesty international den Kobalterz-Abbau in der DR Kongo betreffend - wie und warum auch immer war dabei von Anfang an fast ausschließlich die E-Mobilität im Fokus:
„VW, Daimler und andere Konzerne müssen entschieden gegen Kinderarbeit in der Lieferkette der Akku-Produktion vorgehen“. (Pressemitteilung Amnesty International 5. November 2017)
Dies wurde nahezu unverändert von vielen Medien so übernommen ohne weitere Recherche und wurde zum ewigen Selbstläufer gegen E-Mobilität, insbesondere gegen das E-Auto.
Eine billige Schlagzeile war geboren, und ist nicht mehr auszurotten.
In der amnesty international - Pressemeldung fehlen freilich entscheidende, sonst wenig bekannte Informationen - aber das hätte die Effekt-heischende Schlagzeile natürlich gründlich versaut:
- nur ca. 20 % der Kobalterz - Gewinnung dort kommt aus sogenanntem "kleinteiligen Bergbau", bei dem Familien- und Dorf-Clans z.T. ihre Kinder beteiligen, obwohl Kinderarbeit verboten ist.
Grund ist schlicht die Armut dort und dass alleine Schulbesuch Geld kostet - zusätzliche Nachfrage durch E-Mobilität würde dem eher entgegen wirken, da dann der Preis steigt und weniger Notwendigkeit für Kinderarbeit bestünde.
Manche Medien und Veröffentlichungen erwähnen inzwischen diese bis "20 %", zumeist aber auch nur am Rande.
Auch andere Rohstoffe werden dort so gewonnen, das beschränkt sich nicht auf Kobalt.
- Weiter fehlt die Information, dass Kobalt dort schon seit vielen, vielen Jahrzehnten für viele andere Anwendungen abgebaut wird, die mit Batterien rein gar nichts zu tun haben - letztere wurden langsam beginnend erst in den letzten 10 - 20 Jahren relevant
- vor allem aber wird verschwiegen, welchen Anteil am weltweiten Kobalt - Verbrauch die E-Auto-Batterien überhaupt haben.
Und die Antwort auf diese Frage ist doch etwas überraschend - es sind nämlich aktuell gerade mal bescheidene ca. 10 %. Siehe nebenstehende Grafik.
Wenn es endlich mal darum geht, das Richtige zu tun - die Energiewende auf der Straße zu pushen, der drohenden Klimakatastrophe entgegen zu treten (die die Kinder und Menschen im Kongo ja auch betrifft), dann werden alle plötzlich ganz, ganz mega kritisch. Oder werden einfach nur mit aller Gewalt Ausreden gesucht gegen jede Veränderung? Denn bei den restlichen 90 % des Kobalts auf dieser Welt ist die Kinderarbeit erstaunlicherweise kein Thema für die Leute und die Medien - alleine gut das 3-fache an Kobalt für Handy, mobile Computer, Akku-Werkzeuge, Digital-Kameras und ähnliches, und nochmal über das 5-fache als für die E-Mobilität für unzählige unserer Wohlstands-Produkte und ihre Herstellung schon gleich gar nicht.
Die z.T. schon ewig laufenden Anwendungen für Kobalt erstrecken sich über die Kugel im Kugelschreiber über Ventilsitzringe im Verbrennungsmotor und Teilen in Düsentriebwerken über Katalysatoren in der chemischen Industrie - auch in der Erdöl-Verarbeitung - bis hin zu Zusätzen in Düngern und Futtermitteln und Farben / Lacken um das Trocknen zu beschleunigen.
Wer bitte fragt da nach Kinderarbeit in diesen "Lieferketten"?
Für die Masse dieser Anwendungen gibt es kein Recycling, ist zumeist schlicht unmöglich. Dieses dort seit vielen Jahrzehnten Jahr für Jahr eingebrachte Kobalt ist für alle Zeiten verloren.
Bei den Batterien wird bis zu 95 % zurückgewonnen. Ja, Batterien für E-Autos werden in den nächsten Jahren für einen schnell steigenden Kobaltbedarf sorgen.
Allerdings steigt der Bedarf für manche andere Anwendungen auch an.
Der spezifische Kobaltbedarf der E-Auto-Batterien sinkt jedoch immer weiter, u.a. getrieben durch den hohen Preis des Kobalts.
Beginnend in ca. 5 - 6 Jahren ist mit ersten Kobalt-freien Batterien in den E-Autos zu rechnen.
In den oben angegebenen Nicht-Batterie-Anwendungen - die das Meiste ausmachen - ist ein Ersatz von Kobalt dagegen eher nicht in Sicht.
Ok, manche Anwendungen, wie Erdöl-Verarbeitung oder Ventilsitzringe im Verbrennungsmotor entfallen bei der Elektromobilität. (;-)
Nur am Rande: auch jetzt haben nicht alle E-Fahrzeuge Batterien mit Kobalt-Anteilen.
Die schon zitierte ZDF-Sendung "Saubere Autos, schmutzige Batterien - Kobaltabbau im Kongo" reklamiert ca. 22.000 Kinder im "kleinteiligen Kobalt-Bergbau" in der DR Kongo.
Das ZDF hat diese Sendung seit Anfang März auffälligerweise mindestens 8 mal auf ZDFinfo ausgestrahlt.
Wenn man den Anteil der DR Kongo an der Kobalt-Weltproduktion annimmt mit ca. 2/3 und den Anteil der E-Mobilität am Verbrauch mit 10 %, so wären das kaum 1.500 Kinder - das ist also der Hintergrund für diese ganzen Schlagzeilen, dieses hochgekochte Thema, mit dem seit Jahren gegen die E-Mobilität z.T. sehr emotional aufgeladen und wirksam argumentiert wird.
Die BGR (Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe) - sagt dazu in ihrer "Analyse des artisanalen Kupfer-Kobalt-Sektors in den Provinzen Haut-Katanga und Lualaba in der Demokratischen Republik Kongo (2019)" vom 08.10.2019 auf Seite 6, dass die dort beobachtete Kinderarbeit die Definition der OECD - Leitlinie zur Sorgfaltspflicht in Lieferketten erfüllt.
Und auf Seite 5: "... trägt der artisanale Sektor maßgeblich zur Armutsreduzierung und lokalen Einkommensentwicklung bei, insbesondere für gering qualifizierte kongolesische Arbeitnehmer."
Ich vermag nicht zu erkennen, was daran jetzt soo schlimm sein soll.
In den Kakao-Plantagen in der Elfenbeinküste und Ghana arbeiten dagegen über 2 Millionen Kindern, sehr oft als verkaufte Kindersklaven:
Die dies verdeutlichende ZDF-Sendung "Schokolade - Das bittere Geschäft" - wurde bislang nur 2 oder 3 mal ausgestrahlt
Diese > 2 Millionen - und auch die über 150 Millionen Kinder insgesamt in Kinderarbeit weltweit - haben weit weniger Aufmerksamkeit als eine kleine 4-stellige Zahl "Kinderarbeit wegen E-Mobilität". Zur Erinnerung - es geht ums Klima.
Die selektive Wahrnehmung und Beurteilung der Menschen bis hin zu unseren GEZ-bezahlten öffentlich - rechtlichen Medienanstalten, die ja eine erhöhte journalistische Sorgfaltspflicht haben (sollten), ist schon erstaunlich.
Aber bei Schokolade oder auch Handy, Laptop, Digitalkamera usw. ... sind halt alle dabei - auch man selbst, sei es als Medien-Macher oder als Medien-Konsument.
Dann fällt das Schimpfen schon schwerer - und wenn man die Alternative schlecht macht, wird der eigene Erdöl-Schlucker doch automatisch wieder gut.
Um nochmal Klar zu stellen; es ist unstrittig, dass Kinderarbeit nicht akzeptabel ist, egal für welches Produkt. Auch wenn es tatsächlich deutlich weniger Kinder in Bezug auf die Elektromobilität sind, als im Beitrag genannt, ist jedes Kind, das arbeiten muss, eins zu viel.
Das ist aber kein spezifisches Problem der Elektromobilität, sondern generell unseres vorherrschenden Wirtschaftssystems. Dagegen muss etwas gemacht werden, z.B. durch Transparent, Zertifizierung und Kontrolle. Aber, das Thema Kinderarbeit als ein Argument gegen die Elektromobilität ins Feld zu führen, die zudem noch ein Baustein für eine nachhaltigere Zukunft ist, ist unredlich und falsch.