19.02.2008
Dr. Jürgen Grahl zum zweiten Mal bei Solar mobil Heidenheim:
 
 

Keine stärkere Degression bei Erneuerbaren Energien

 
„Man muss das Gegenteil von dem tun, was Photon vorschlägt. 4 bis 4,7 Prozent Degression ist das Maximum“. Dieses Fazit zog Dr. Jürgen Grahl aus seinem Vortrag bei Solar mobil Heidenheim. Vor dem Hintergrund, dass das äußerst erfolgreiche und weltweit nachgeahmte Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) novelliert werden soll, weil uns angeblich die Kosten davon laufen, wenn es bei den bisherigen Degressionsraten bleibt. Die Lobbyisten der Strom-Oligopolisten und die renommierte Zeitschrift für Erneuerbare Energien „Photon“, die diese Diskussion losgetreten hat, sind für eine deutlich schnellere Degression als bisher. Der Mathematiker an der Universität Würzburg, setzte sich vor „vollem Haus“ mit der Frage auseinander, welche Auswirkungen die verstärkte Degression hätte.  

 

Der Novellenentwurf sieht für 2009 statt bisher 5 ganze 9,1 Prozent Degression bei der Fotovoltaik vor, für die Folgejahre dann 7 bzw. 8 Prozent. (Degression ist die Minderung der Vergütung für Neuanlagen).

Grahl rechnete vor, dass dies für im Jahr 2014 neu gebaute Anlagen eine zusätzliche Vergütungsabsenkung um 17,6 Prozent über die nach der derzeitigen Regelung ohnehin vorgesehenen 26,5 Prozent hinaus bedeuten würde. Nachdem die Fotovoltaik für „Kleininvestoren mit Restidealismus gerade mal interessant geworden ist“, sei die geplante Degression genau der Schritt, der zur Unwirtschaftlichkeit führt.

Er befürchtet, dass damit die Investitionsbereitschaft zum Erliegen kommt und die gigantischen Zuwachsraten drastisch einbrechen.

Dies sei der falsche Weg. Kostensenkung ergebe sich allein durch das Marktgeschehen. Sei ein dynamischer Markt vorhanden, träten viele Akteure auf, die im Wettbewerb für fallende Preise sorgten. Dazu bedürfe es aber guter Gewinnaussichten.

Grahl vor Vortrag web
 

Der Solarenergie-Förderverein Deutschland, dessen stellvertretende Vorsitzender Grahl ist, befürchtet aufgrund einer systemtheoretischen Analyse der bisherigen Wachstumsraten, dass bereits jetzt die Abflachung der Dynamik beginnt – und dies schon bei der heutigen Vergütungssituation. Es weise daher bei einer Fortsetzung des jetzigen Trends zum Beispiel bei der Windkraft einiges auf eine „Stagnation bei knapp 10 Prozent Windstromanteil an der Gesamtstromerzeugung“ hin, was weit unter dem Potenzial von 30 Prozent liege, das sich ergebe, wenn bundesweit die Windkraft gemäß der Windraddichte von NRW bei gleichzeitigem Repowering auf 3 MW-Anlagen ausgebaut würde. Mit Offshore-Anlagen wären sogar 50 Prozent erreichbar. Auch bei der Fotovoltaik sei bereits eine Abschwächung der Dynamik erkennbar. Hier rechnet Grahl bei Fortsetzung des jetzigen Trends ebenfalls mit einer Stagnation bei höchstens 3 Prozent Solarstromanteil – mehr als den Faktor 10 unter den 40 Prozent, die möglich wären, wenn alle geeigneten Dächer und Fassaden genutzt werden. Die Warnung vor einem „Fadenriss“ bei höherer Degression fiel entsprechend deutlich aus.

Insgesamt sei die Kostendiskussion die völlig falsche Diskussion. Die Kosten betrügen ja gerade mal einen halben Cent pro Kilowattstunde. Wenn man nur nach den Opportunitätskosten frage, werde das daran hängende Werturteil ausgeblendet, nämlich die Frage nach dem gesellschaftlich Wünschenswerten. Was wäre die Alternative zum forcierten Ausbau der Erneuerbaren Energien? Für Grahl ist die Antwort eindeutig: die Klimakatastrophe würde wesentlich teurer. Dazu komme, dass der Preis für fossile Energie explodiere. Die Verknappung bei Öl zeichne sich bereits ab. Es seien zwar noch Ölreserven vorhanden, aber in diesem oder im nächsten Jahr werde das Fördermaximum erreicht. Bei Gas sei in 10 bis 20 Jahren damit zu rechnen. Schließlich stehe mit der Branche der Erneuerbaren auch ein boomender Wirtschaftssektor auf dem Spiel, der jetzt schon 235.000 Beschäftigten Arbeit und Brot bietet.

Grahls Argumente gegen die verstärkte Degression gipfelten in einem Generalangriff auf die herrschenden Lehrmeister der Ökonomie. Zum Beispiel werde die Natur ignoriert und so genannte externe Kosten der derzeitigen Energieerzeugung als vernachlässigbar eingestuft. Es würden betriebswirtschaftliche Kosten mit volkswirtschaftlichen verwechselt. Außerdem werde die Schieflage zwischen Kapital und Arbeit ignoriert (ein Thema, das der Referent schon vor drei Jahren in Heidenheim beleuchtete).