8.12.2002
Kurt Haffner:

 Wiege der Windkraft in Baden-Württemberg und Stötten

Voith baute Getriebe
Manche überraschende Tatsache erfuhr der Zuhörer beim Vortrag von Kurt Haffner über die Geschichte der Windkraft. Zu diesem Vortrag hatte Solar Mobil Heidenheim im Rahmen der Volkshochschulreihe „Erneuerbare Energien“ geladen.

Die Geschichte der Windkraft beginne mit der Erfindung des Segels bei den alten Ägyptern vor 4000 Jahren. Bereits um 1700 vor Christus seien in Mesopotamien Windmühlen nachgewiesen. Seit Beginn der Neuzeit gab es nach Haffner geradezu eine Flut von Windmühlen in Dänemark, Holland und vor allem im Mittelmeerraum. In Deutschland habe es bis hin zum Zeitalter der Elektrizität allein 30.000 Windmühlen gegeben. Um die Wende zum 20. Jahrhundert seien die mit alter Holzmechanik ausgestatteten Mühlen nach und nach durch solche aus Eisen und Stahl ersetzt worden.  Bald dienten sie auch der Erzeugung von Elektrizität. Für den Bau zeichneten nun erstmals Fabriken verantwortlich: in Dresden wurde die „Athlet“ und die „Herkules“ und in Heide die „Adler“ hergestellt. 1923 habe es sogar eine erste Betreibergemeinschaft gegeben, das „Wind-Elektrodorf Högel“, das eine „Adler“ betrieb.

Eine tief greifende Wende habe die Windkraft durch aerodynamische Forschungen am Windrotor unmittelbar nach dem zweiten Weltkrieg erfahren. Bis dahin sei der Winddruck genutzt worden, wobei die schräg gestellten Lamellen oder Flügel für Umdrehung gesorgt hatten. Am Stuttgarter Pfaffenwald, am Ort des heutigen Zentrums für Luft- und Raumfahrttechnik, seien Rotoren entwickelt worden, die den Hub ausnutzten. Das dazugehörige Testfeld habe neben der Wetterwarte Stötten gelegen. Es wurden die heute üblichen Dreiflügler entwickelt, zunächst eine 7,2 KW-Maschine, die eine Stückzahl von 200 erreichte. Was heute kaum noch jemand weiß, so Haffner: Diese enthielten ein Voith-Getriebe, ein Drehlager von Escher-Wyss und  Windkraftwerke von Porsche. 1957 sei deren Leistung auf 100 Kilowatt gesteigert worden.

Mit Beginn der 60-er Jahre sei dann der große Einbruch gekommen. Es sei die Zeit der Atomkraft-Euphorie gewesen. Erst mit der Ölkrise zu Beginn der 70-er Jahre habe ein Umdenken stattgefunden. Der Ingenieur Ulrich Hütter entwickelte zusammen mit der Firma Voith die „Growian“ (Große Windenergie-Anlage), die eine Leistung von drei Megawatt erbringen sollte, wozu es aber nicht gekommen sei. „Voith hat bei der Entwicklung einige Schritte überspringen wollen und ein Fiasko erlebt, sonst würde die Firma wahrscheinlich heute noch Windkraftanlagen bauen“, bedauerte Haffner. Das Problem seien die Rotoren gewesen, die in den dazu notwendigen Dimensionen damals noch nicht herstellbar gewesen seien.

Die Wurzeln der modernen Windkraft habe in Baden-Württemberg gelegen und die Wiege bei Stötten, fasste der Redner zusammen. Nach der Growian-Pleite habe sich die Entwicklung der Windkraft allerdings nach Norden verlagert, vor allem nach Dänemark, wo im Jahr 1990 die erste Bürgerwindkraftanlage errichtet worden sei. Einen riesigen Aufschwung habe die Windkraft mit dem Stromeinspeisungsgesetz genommen und mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz nochmals eine Steigerung erlebt. 1997 hätten Windkraft-Anlagenbauer zum ersten Mal die Leistungsmarke von einem Megawatt erreicht. In 2000 seien 1,3- und 1,5-MW-Anlagen Standard geworden. Im Jahr 2001 sei die Leistung von 1,8 über 2 auf 2,5 Megawatt geschraubt worden. Heuer seien Prototypen von 3-MW-Anlagen (Vestas) und 4,5-MW-Anlagen (Enercon) aufgestellt worden.