19.01.2016 Dr. Eva Stegen von den EWS Schönau im Elmar-Doch-Haus |
Energie in Bürgerhand |
Sie kam spät wegen ausgefallener Züge, aber sie fesselte ihre Zuhörer mit einem spannenden Schnelldurchgang durch die Entwicklung der Elektrizitätswerke Schönau im Südschwarzwald und durch die aktuellen Machenschaften im deutschen Strommarkt. Solar mobil Heidenheim und die VHS hatten Frau Dr. Stegen eingeladen. Am Anfang stand in Schönau der Protest gegen Atomkraftwerke, ausgelöst durch die Folgen der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl (1986), deren radioaktiven Niederschläge bis nach Süddeutschland kamen, heute noch im Fleisch von Wildtieren nachweisbar sind und zuweilen noch zur amtlichen Vernichtung von Jagdbeute führen.
Dr. Eva Stegen bei Ihrem Vortrag im Elmar-Doch-Haus Eine Gruppe von Schönauer Bürgern um den Arzt Dr. Sladek wollte 1986 von ihrem regionalen Stromversorger eine Garantie, dass ihnen kein Atomstrom verkauft werde. Die konnte der Versorger nicht geben, er war voll im Atomgeschäft engagiert. Dann wollten die Bürger dem Versorger das Stromnetz in ihrer Gemeinde abkaufen, um ihren Strom selbst aus regenerativen Quellen zu erzeugen und zu verteilen. Das war der Beginn dramatischer Jahre. Nach 2 Gemeinderatsbeschlüssen und 2 Volksabstimmungen in der Gemeinde legte ihnen der Versorger ein völlig überhöhtes Angebot vor. Nach weiteren Protesten, Petitionen und Gerichtsterminen gelang den „Stromrebellen“ von Schönau schließlich 1995 der Kauf ihres Stromnetzes und der Aufbau der Elektrizitätswerke Schönau. Seit der Liberalisierung des Strommarkts gehören die EWS zu den europaweiten Anbietern von zertifiziertem Ökostrom. Mit Hilfe von Laufwasserkraftwerken, Photovoltaik und Windkraft sowie Biogasanlagen erzeugt die Schönauer Bürgergesellschaft heute ein Drittel des verkauften Stroms selbst regional, den größeren Teil kauft sie von Wasserkraftwerken in Norwegen und Schweden dazu. Im Kreis Heidenheim haben die EWS etwa 100 Kunden. Seit 2015 wird auch Gaslieferung z.T. mit Bio-Methan angeboten. Dr. Stegen berichtete weiter, dass von den Regierungen in Berlin ab 2011 die Marktbedingungen für die Bürger-Energie-Gesellschaften Schritt für Schritt verschlechtert wurden. So mussten auch die Schönauer in den letzten Jahren ihre Geschäftstätigkeit mehrfach umstellen und anpassen. Trotzdem zahlen die EWS ihren Kunden, die mit einer neuen eigenen Sonnenstrom-Anlage ins Netz einspeisen, einen kleinen Sonnenbonus zusätzlich zur staatlichen Vergütung als eigenes Förderprogramm. Und sie investieren auch laufend in neue eigene Anlagen für regenerative Stromgewinnung. Dafür ist im Strompreis bei den EWS ein zwischen 0,5 und 2 Cent wählbarer „Sonnencent“ enthalten. In der Diskussion wurde auch von Zuhörern mit eigenen Anlagen bestätigt und heftig kritisiert, dass der Energiewende in Bürgerhand derzeit ein eisiger Wind aus dem Berliner Wirtschaftsministerium und von Seiten der großen Stromkonzerne ins Gesicht blase. Da werde an zahlreichen „Stellschrauben“ gedreht, um den Energiemarkt für die finanzstarken Firmen und den Kohlestrom zu reservieren. Es brauche heute schon einige Kreativität, um ein funktionierendes Geschäftsmodell für Bürger-Energiegesellschaften zu finden. |