Veröffentlichter Un-Sinn
- eine Erwiderung zur ifo-Studie zur CO2-Bilanz von Elektroautos
Am 17.04.2019 wurde vom ifo-Institut eine Studie veröffentlicht:
"Kohlemotoren, Windmotoren und Dieselmotoren: Was zeigt die CO2-Bilanz?" von Christoph Buchal, Hans-Dieter Karl und Hans-Werner Sinn (ifo Schnelldienst 72 (08), 2019) - Quelle siehe hier -
Diese Studie enthält viele Fragwürdigkeiten und leicht erkennbare Fehler, die Gröbsten werden wir im Folgenden widerlegen und zeigen, dass diese Studie falsche Schlussfolgerungen zieht.
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Zusammenfassung:
Die Studie des ifo-Instituts zur CO2-Bilanz von Diesel- und Elektroantrieb im Pkw kommt zu dem Ergebnis, dass der Dieselmotor einen niedrigeren CO2-Ausstoß hätte.
Die gröbsten Fehler im Überblick:
- veraltete und bereits widerlegte Annahmen zum Energiebedarf bei der Herstellung von Fahrakkus,
- Vergleich von Fahrzeugen unterschiedlicher Leistungsklasse,
- Verwendung von veralteten und nachgewiesenermaßen zu niedrigen Verbrauchswerten,
- Nichtberücksichtigung des sich stetig verbessernden Strommix,
- Annahme einer Lebenskilometerleistung von nur 150.000 km,Mit diesen falschen Annahmen kommt die Studie zu dem zwangsläufigen falschen Ergebnis. Richtig betrachtet kommt heraus, dass das Elektroauto bei der CO2-Bilanz besser abschneidet.
Wissenschaftliches Arbeiten sieht anders aus.
In der Studie werden verschiedene Energieträger für Pkw-Motoren gegeneinandergestellt. Schwerpunktmäßig vergleichen die Autoren Diesel- und Elektroantrieb. Der Vergleich führt in der Studie zu dem Ergebnis, dass der CO2-Ausstoß des Elektromotors im günstigen Fall um etwa ein Zehntel und im ungünstigen Fall um ein gutes Viertel über dem Ausstoß des Dieselmotors liege. Dieses Ergebnis beruht auf der Verwendung von veraltetet und falschen Zahlen und Annahmen.
Wir haben uns die 5 gröbsten Fehler angeschaut und widerlegen diese im Folgenden:
Der Energiebedarf bei der Herstellung des Fahrakkus (=Batterie)
Die verwendeten Batterie-Kennzahlen sind veraltet. Sie stammen aus einer schwedischen Metastudie (Romare, M. und L. Dahllöf (2017), The Life Cycle Energy Consumption and Greenhouse Gas Emissions from Lithium-Ion Batteries: A Study with Focus on Current Technology and Batteries for Light-duty Vehicles, Swedish Environmental Research Institute, Stockholm). Diese Originalstudie selber kommt zu der Erkenntnis, dass die zugrundeliegenden Zahlen unsicher und damals schon veraltet waren. Die Ergebnisse dieser Studie wurden schon verschiedentlich widerlegt und die CO2-Werte (kg CO2 je kWh Energiegehalt) als zu hoch angesetzt nachgewiesen. Hintergründe zur s.g. "Schwedenstudie" siehe z.B. hier.
Der deutliche Fortschritt der letzten Jahre ist in der ifo-Studie ebenfalls nicht abgebildet. Dagegen hat Tesla diese Zahlen schon vor Jahren als viel zu hoch dementiert. Für Teslas hochentwickelte Batterien ist das nachvollziehbar.
Die Tesla Gigafactory 1, die diese Batterien produziert, wird laut Tesla überdies regenerativ versorgt.
Die Berechnungsmethode – CO2 je kWh – ist gerade für die hochentwickelte Batterie des Model 3 falsch, so man keine aktuellen Werte dazu von Tesla hat.
CO2 je kg Batteriemasse wäre richtiger, denn der Energiebedarf bei der Herstellung ist vorrangig von der verarbeiteten Materialmasse abhängig, nicht von der später erzielten spezifischen Energiespeicherkapazität. Gerade Tesla hatte schon immer mehr Energieinhalt je Masse - bedarf dafür allerdings auch regelmäßiger Aktualisierung.
Die Autos: Vergleich Äpfel mit Birnen
Die Autoren vergleichen ein Mercedes C220d mit Hinterachsantrieb mit einer Variante des Tesla Model 3 mit Vierradantrieb. Ein 143 kW-Diesel gegen ein >220 kW-Elektroauto.
Warum wohl so ein Vergleich?
Nun, ein stärkerer Mercedes C300d 4 matic wäre immer noch schwächer als der Tesla, verbraucht aber mehr als der C220d. Ein wissenschaftlich unvoreingenommener Vergleich sieht so nicht aus!
Längst überholte und unrealistisch niedrige NEFZ – Verbräuche
Der inzwischen abgelöste NEF-Zyklus hat, wie allgemein bekannt und nachgewiesen, zu unrealistisch niedrigen Verbrauchsangaben geführt. Nicht ohne Grund wurde dieser Zyklus inzwischen durch den WLTP-Zyklus abgelöst. Im WLTP ergeben sich allgemein höhere Verbrauchswerte. Selbst diese liegen jedoch noch unterhalb der realen Verbrauchswerte. Durch Veröffentlichungen verschiedener Prüf- und Testberichte sind reale Verbrauchswerte bekannt und sind z.B. auch über spritmonitor.de leicht auffindbar.
Die Verwendung der niedrigen Zyklus-Verbrauchswerte benachteiligt das E-Auto, da damit der CO2-Anteil der Batterieherstellung je km größer wird. Bei Verwendung von WLTP-Werten und erst recht bei realen Verbrauchswerten für beide Fahrzeuge kann das E-Auto über die gesamte Fahrleistung den Batterienachteil leichter egalisieren, da sein CO2-Vorteil für das reine Fahren (also für den Fahrstrom) dann absolut größer ist.
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CO2-Wert für den Strom
Der angegebene CO2-Wert für den Strom ist fragwürdig.
Vor allem aber wird dessen stetige Verbesserung über die Lebensdauer des Autos (in der Studie 10 Jahre) in der Berechnung nicht berücksichtigt! Seit vielen Jahren hat sich der Anteil an erneuerbaren Energien am Strommix stetig erhöht. Aufgabe der Politik ist es, dieses zu beschleunigen, damit in nicht allzu ferner Zukunft der komplette Strombedarf aus erneuerbarer nachhaltiger Erzeugung stammt.
Die geringe erwartete Akku-Lebensdauer
Die Autoren betrachten eine „Lebens“-Kilometerleistung von nur 150.000 km – mit der Begründung, dass die Batterie nicht länger halte. Das ist falsch - und gleichzeitig kann dadurch das Elektroauto seinen Vorteil nicht ausspielen, der mit zunehmender Laufleistung größer wird. Es ist längst bewiesen, dass diese Autos und die Batterien weitaus länger leben, mehrere 100.000 km zumindest. Überdies finden Akkus am Ende des "Autolebens" noch in einem Second-Life weitere Verwendung, z.B. als Speicherbatterie für Solaranlagen. Dies verringert wiederum den angenommenen "CO2-Rucksack". Weiterhin berücksichtigt die Studie überhaupt nicht, dass durch ein entsprechendes Recycling nach dem tatsächlichen Ende der Akkulebensdauer, ein Großteil der Rohstoffe wieder in die Produktionskette zurückfließt und somit den "CO2-Rucksack" noch weiter reduziert.
Fazit
Die hier genannten Punkte sind nur die unserer Ansicht nach gröbsten Fehler der Studie. Weitere Punkte brauchen hier nicht betrachtet zu werden, denn schon bei den angesprochenen Punkten müsste die ifo-Studie zum gegenteiligen Ergebnis kommen, nämlich dass das Elektroauto hinsichtlich der CO2-Bilanzgegenüber dem Dieselfahrzeug überlegen ist. Von anderen Emissionen ist hier noch nicht einmal die Rede.
Dass das alles von den Herren Professoren keiner gemerkt haben will, ist schwer zu glauben. Vielmehr liegt die Vermutung nahe, dass das Ergebnis so herauskommen sollte, wie es herausgekommen ist, und dafür alle möglichen Parameter verbogen wurden. Die als Studie vorgelegte Veröffentlichung ist nichts weiter als ein Meinungspapier. Mit der Verkleidung dieses Papiers als wissenschaftliche Studie diskreditiert sich das ifo-Institut selber!
Wir haben in unserem Vortrag "Fakten gegen Fakes" (siehe hier) eine ganze Reihe von Studien vorgestellt, die eben nicht auf ein paar ganz wenigen Leuten beruhen, die zum Teil auch noch fachfremd sind.
Wir halten uns an seriös ermittelte Fakten. Lesen Sie z.B. die kürzlich veröffentlichte Pressemitteilung der Fraunhofer-Gesellschaft: https://www.isi.fraunhofer.de/de/presse/2019/presseinfo-07-elektroautos-klimabilanz.html
19.04.2019
Conrad Rössel
Markus Müller
(redaktionelle Überarbeitung 23.04.2019)
Siehe hierzu auch Leserbrief von Werner Glatze in der Heidenheimer Zeitung vom 27.04.2019