24.03.2009 
Hermann Bähr, Solarföderverein Deutschland:

 Großkraftwerk-Strategie unterlaufen

„Viele kleine dezentral angesiedelte Anlagen zur Erzeugung von erneuerbarer Energie, die normalerweise nur in das Nieder- bzw. Mittelspannungsnetz einspeisen, mindern nicht nur die Übertragungsverluste, sondern minimieren auch einen umfangreichen Netzausbau durch kostengünstigere Netzverstärkungsmaßnahmen.“ Dies ist die zentrale Botschaft des Vortrags von Hermann Bähr vom Solarförderverein Deutschland, den er bei Solar mobil Heidenheim zum Thema „Netzmanagement zur Einbindung der Erneuerbaren Energien“ hielt.
 

Die dezentrale Strategie sei aber weder im Regierungshandeln noch an den Ausbaumaßnahmen der großen Netzbetreiber zu erkennen, sagte der Referent. Im Gegenteil: in der Öffentlichkeit werde zurzeit der Ausbau des Höchstspannungsnetzes als vordringlich dargestellt. Dieses diene vorwiegend dazu, große Strommengen zu transportieren, zum Beispiel von europäischen Offshore Windparks und von Solarkraftwerken aus der Sahara. Die Diskussionsrichtung gäben in Deutschland die großen vier Netzbetreiber vor. Auf europäischer Ebene sei die „Trans-Mediterranean Renewable Energy Cooperation“ (TREC) gegründet worden und der Mittelmeerbund (unter franz. Ratspräsidentschaft gegründet) treibe die Pläne voran, mit Solarthermischen Kraftwerken in der Wüste Sahara und in Nordafrika, innerhalb von 30 Jahren Europa, Nordafrika und den Nahen Osten mit Strom zu versorgen.

Die TREC habe in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR, Stuttgart) die „Leitstudie 2008“ im Auftrag des Bundesumweltministeriums (BMU) erstellt, die eindeutig die Großkraftwerk-Strategie (Offshore Windkraft und Parabolinnenkraftwerke in der Sahara) favorisiert. Vorgaben des BMU waren: 30 Prozent des Stromverbrauchs sollten bis 2020 mit erneuerbaren Energien gedeckt werden. Dabei waren 2008 bereits 14,8 Prozent (Bayern 33%) erreicht. A. Henze sage bis zum Jahr 2017 100 Prozent voraus, wenn das derzeitige Ausbautempo mit den derzeit vorhandenen Mitteln fortsetzt wird. Die in der Studie enthaltenen Diagramme belegen, so der Referent, dass bei dem wenig ambitionierten Ausbauziel die Sparten Fotovoltaik, Windkraft im Binnenland und Biomasse im Wachstum schrumpfen müssen zugunsten der Offshore Windkraft. Dabei komme der Binnenland-Windkraft das Verdienst zu, aufgrund des Merit-Order-Effekts den Preisanstieg zu bremsen. Bewerte man die Planung, so „kommt man zu dem Ergebnis, dass es der Stromwirtschaft gelungen ist, gezielt das Anwachsen der Erneuerbaren-Energie-Anlagen der Bürger zu verhindern“.

Bähr räumte ein, dass das Netzmanagement durch die Einbindung der Erneuerbaren Energien (EE) schwieriger geworden ist. Dies und die Tatsache, dass den großen Energieerzeugern Gewinn entgeht, hätten (vor allem auf dem Gebiet der RWE und EON) zu lokalen Behinderungen und Klagen gegen das EEG in Brüssel geführt.

Nach Berechnungen des Solarfördervereins könnten Binnenland-Windenergie und Fotovoltaik das Zweieinhalbfache des jetzigen Strombedarfs zur Verfügung stellen. Das Problem bestehe jedoch darin, dass das Energieangebot und der –verbrauch zeitlich auseinanderklaffen. Daher müsse steuernd eingegriffen werden. Anhand der Studie des Instituts für Solare Energieversorgungstechnik (ISET) sei ein guter Nachweis für das effiziente Zusammenspiel von dezentralen Energieanlagen (DEA) gelungen. Mithilfe eines virtuellen Kraftwerks (Kombikraftwerk), das aus der Zusammenschaltung von  Windenergieanlagen, Fotovoltaikanlagen, Biomassekraftwerken und einem Pumpspeicherkraftwerk besteht, ließ sich mittels moderner Kommunikationstechnik die Stromerzeugung genau an den Bedarf anpassen. Noch eleganter sei es, den Verbraucher an das Angebot anzupassen mithilfe eines bidirektionalen Energiemanagementinterfaces (BEMI). Dies ist ein intelligenter Stromzähler, der den Verbrauchern (Elektrogeräte) sagt, wann die für sie günstigste Einschaltzeit ist (nämlich wenn das Angebot hoch und der Strompreis niedrig ist). Dabei könnten sogar Energiespeicher, z.B. die Batterie des Elektroautos einbezogen werden.

Es bedürfe, so der Maschinenbau-Ingenieur zusammenfassend, nicht der neuen großen Trassen, außer derer, die bereits zur Netzverstärkung – vor allem für das Einbinden der Windparks festgelegt wurden. In mehreren Untersuchungen sei nachgewiesen worden und es habe sich bei der Windkraft bereits bestätigt, dass die Kosten für Strom aus dezentralen Erneuerbaren Energien auf Dauer günstiger sind als irgendeine andere Lösung. Deshalb gilt es aus seiner Sicht alles zu tun, um die Strategie der Favorisierung von regenerativem Strom aus Großkraftwerken durch den Bau von möglichst vielen dezentralen Anlagen im eigenen Land zu unterlaufen.