23.06.2000 Roland Gehringer: |
Regularien des liberalisierten Strommarktes |
(hmh) Die Stadtwerke Heidenheim sind ein wenig stolz darauf, dass sie ab 1 Juli die zweite Verbändevereinbarung „abhandeln“ können. Dies sei bei der Kompliziertheit der Materie gar nicht so selbstverständlich, sagte Roland Gehringer von den Stadtwerken in seinem Vortrag zum Thema „Regularien des liberalisierten Strommarktes“ beim Verein „Solar Mobil Heidenheim“. Mit der Liberalisierung habe ein ruinöser Wettbewerb eingesetzt. Um die Stadtwerke erhalten zu können, habe sich die Stadt erstmals in der Geschichte veranlasst gesehen, einen potenten Partner mit ins Boot zu nehmen. |
Die Liberalisierung des Strommarktes ins Rollen gebracht habe die EU-Richtlinie vom Dezember 1996, sowie das neue Energiewirtschaftsgesetz der Bundesregierung von Anfang 1998. Um diese Vorgaben in praktisches Handeln umzusetzen, hätten die Verbände der Energieversorgungsunternehmen und der deutschen Industrie die erste Verbändevereinbarung auf den Weg gebracht. Sie wurde weiter entwickelt und zum 1. Januar 2000 durch die zweite Verbändevereinbarung ersetzt, die bis zum 31 Dezember 2001 läuft. Der wesentliche Unterschied in der neuen Verbändevereinbarung liege darin, dass es den Begriff „Durchleitung“ nicht mehr gibt. Jeder Netznutzer zahlt künftig für seine Anbindung ans Netz ein sogenanntes Nutzungsentgelt. Damit kauft er sich das Recht, von beliebiger Stelle Strom beziehen zu können. Grundforderung des Energiewirtschaftsgesetzes sei die Trennung von Stromproduktion, -verteilung und -handel. Während bisher die Allgemeinen Vertragsbedingungen (AVB) Rechtgrundlage gewesen seien, müssten nun zwischen Kunde und Verteilungsnetzbetreiber – also den Stadtwerken – ein Nutzungsvertrag und ein Netzanschlussvertrag abgeschlossen werden. Den Stromlieferungsvertrag schließt der Kunde zukünftig mit seinem Händler, bzw. Lieferanten, wobei die Stadtwerke wiederum einen Rahmenvertrag mit dem Lieferanten abschließen. Durch diese gegenseitige Vertragsabsicherung könne auch der normale Tarifkunde seinen Stromlieferanten frei wählen. Durch Serviceleistungen und Preissenkungen hätten die Stadtwerke allerdings die meisten ihrer Kunden halten können. Die neuen Regularien brächten einen ungeheuer großen Verwaltungsaufwand mit sich. Eine neue Aufgabe der Netzbetreiber sei auch die zeitnahe Meldung der Lastprofile einzelner Kunden an den Lieferanten, um deren Strombedarf abdecken zu können. Die hohen Überkapazitäten seien unter anderem für die radikalen Preissenkungen verantwortlich, aber die Preise werden wieder steigen, gab sich Gehringer sicher. Zur Zeit würden in den Versorgungsunternehmen große Anstrengungen unternehmen, um Kosten zu sparen und sich dem Wettbewerb zu stellen. In wieweit sich dies auf die Versorgungssicherheit auswirke, werde die Zukunft zeigen. In der Diskussion kamen drei Problemkreise zur Sprache. Der Vorstand von „Solar Mobil“ ließ durchblicken, dass man den Schritt, sich an einen Partner zu binden zumindest zum gegenwärtigen Zeitpunkt für falsch hält. Als Begründung wurden die Stadtwerke Schwäbisch Hall angeführt, die mit einer Eigenstromerzeugung von um die 70 Prozent, mit dem Verkauf von Wärme und dem Einstieg in das Geschäft mit regenerativem Strom (Greenpeace) alleine konkurrenzfähig seien. Zum andern halte man es für sinnvoll, dass die Stadtwerke eigenen regenerativen Strom erzeugen und vertreiben. Der Verein wolle alles daransetzen, dass regenerativ erzeugter Strom im Versorgungsgebiet auch abgesetzt werden könne. Schließlich äußerte man die Meinung, dass nach Inkrafttreten des „Erneuerbaren Energiegesetzes“ regenerativer Strom nicht mehr teurer sein müsse als normaler, da die Kosten auf alle Verbraucher umgelegt würden. In der Praxis sei dies nicht der Fall, widersprach Gehringer, da kaum ein Unternehmen die vom Gesetz beabsichtigte Umlage tatsächlich vornehme. |