9.05.2007 
Martin Giese:

Das neue Pumpspeicherkraftwerk Kops II (Voralberg)

Die Liberalisierung des Elektrizitätsmarktes und der rasante Ausbau der Windenergie – mit unbeeinflussbaren Windstärken und -flauten – haben zu einer steigenden Nachfrage nach Spitzen- und Regelenergie geführt. Pumpspeicherkraftwerke erfüllen diese Anforderungen in idealer Weise. Martin Giese von Voith Siemens Hydro Power Generation informierte bei einem von Solar mobil Heidenheim veranstalteten Vortrag über die Entwicklung der Pumpspeichertechnik. Interessenten hatten vergangenen Samstag die Gelegenheit, den aktuellsten Stand der Technik im Montafon in Augenschein zu nehmen.

Giese erläuterte die Notwendigkeit, den im Tages- und Saisonverlauf stark schwankenden Strombedarf durch Spitzenlastkraftwerke wie z. B. Gasturbinenkraftwerke oder eben hydraulische Speicherkraftwerke zu decken, deren volle elektrische Leistung innerhalb weniger Minuten zur Verfügung steht. Pumpspeicherwerke stellen, so der Referent, eine besondere Form der Spitzenlastkraftwerke dar. Sie können zum einen im Turbinenbetrieb dem Netz elektrische Energie zuführen und zum anderen im Pumpbetrieb dem Netz elektrische Energie entnehmen. Pumpspeicherkraftwerke können als gigantische Batterien betrachtet werden, die je nach Bedarf aufgeladen oder angezapft werden können. Pumpspeicherwerke haben hohe Anlagenwirkungsgrade verbunden mit vergleichsweise geringen Betriebskosten und stellen im Vergleich mit den zahlreichen anderen Energie-speicherarten eine der attraktivsten und effizientesten Speichertechnologie dar.

Der Redner ging auf die historische Entwicklung der in starkem Maße von Voith geprägten Pumpspeichertechnik ein, wobei er die 1908 errichtete Pumpspeicheranlage in der Versuchsanstalt „Brunnenmühle“ mit ihrem Hochbehälter auf der Schwende erwähnte und beim im Bau befindlichen Kops II endete. Er beschrieb die Rolle der Erneuerbaren Energien, die mit rund 18% den drittgrößten Anteil an der weltweiten Elektrizitätserzeugung stellen. Die Wasserkraft nehme mit fast 92% den größten Anteil an der gesamten erneuerbaren Stromerzeugung ein. Ihr Anteil sinke aber aufgrund anderer sich stark entwickelnder regenerativer Energieträger, speziell der Windenergie. Letztere machten aufgrund ihres unvorhersehbaren Dargebots die verstärkte Einbeziehung von Pumpspeicheranlagen in die aktive Netzregelung und somit in die Sicherung der Netzqualität notwendig. Ausführlich wurden die physikalischen Grundlagen einer Wasserturbine und die hydraulische Entwicklung von Turbinen erklärt, bevor der Diplomingenieur auf neuere Pumpspeicherprojekte einging, darunter Goldisthal (Thüringen) und Kops II.

Die 12 Teilnehmer der Exkursionsgruppe besichtigten am Vormittag das 1976 in Betrieb genommene Pumpspeicherwerk Rodund II bei Schruns, das eine Pumpturbine von Voith enthält. Sie arbeitet in einer Drehrichtung als Turbine, in der anderen Drehrichtung als Pumpe. Pumpturbine und Motorgenerator waren damals mit 276/260 MW bzw. 310 MVA die leistungsstärksten Europas. Die Turbine ist aus dem Stillstand in etwas mehr als einer Minute mit voller Leistung am Netz. Die Maschine kann im Teillastbetrieb bis zu einer Leistung von 110 MW heruntergeregelt werden, vom relativ rauhen Teillastbetrieb konnten sich die Teilnehmer selbst überzeugen.

Da ein Pumpspeicherkraftwerk dieser Bauart nur eine eingeschränkte Regelfähigkeit aufweist, aber aufgrund der Abweichungen des tatsächlichen Stromverbrauchs vom prognostizierten eine Regelfähigkeit von null bis 100 Prozent wünschenswert ist, wird der Pumpspeichersatz im sogenannten hydraulischen Kurzschluss betrieben. Im hydraulischen Kurzschlussbetrieb sind Pumpe, Turbine und elektrische Maschine starr gekoppelt. Turbine und Pumpe sind dabei über eine Druckrohrleitung miteinander verbunden und je nach Öffnung der Turbine kann die Pumpe das Wasser entweder direkt der Turbine zuführen oder in das obere Becken pumpen. Der motorisch arbeitende Motorgenerator gleicht dabei die Differenz zwischen der von der Turbine gelieferten und von der Pumpe geforderten mechanischen Leistung aus. Bei reinem Turbinenbetrieb muss die Pumpe ausgekuppelt und bei Zuschaltung mittels Wandler auf die Wellendrehzahl beschleunigt werden können.

Bei Regelvorgängen wie z.B. dem Umschalten vom Turbinenbetrieb in den Pumpbetrieb muss das Wasser im Stollen abrupt abgebremst und wieder in die Gegenrichtung beschleunigt werden. Durch die träge Flüssigkeitsmasse entstehen hohe dynamische Drücke (mehr als 105.000 to). Ein sogenanntes Wasserschloss schützt die Wasserführung vor unzulässig hohen Drücken.

Die Exkursionsteilnehmer konnten sich vom Baufortschritt des seit September 2004 im Bau befindlichen Kopswerk II bei Partennen ein Bild machen. Alle Anlagenteile befinden sich verborgen im Berginneren. Die Maschinenkaverne imponiert durch Ausmaße von 60 Metern Höhe und 88 Metern Länge und zählt zu einem der größten Felshohlräume der Welt. Drei Maschinensätze mit je 150 MW Pump- und Turbinenleistung finden darin Platz. Mittlerweile sind die Stockwerke eingezogen, die die Maschinenteile tragen. Rohre, in denen die Besucher bequem gehen können, sind im Ausbruchkanal mit Beton verankert. Einige Maschinenteile, in Sao Paulo hergestellt, trafen nach einer 10.000 km langen Seereise zunächst im Hamburger Hafen ein und wurden mit Schwerlastwagen über das Paznauntal an Ort und stelle bugsiert und eingebaut. Ende dieses Jahres soll die erste Maschine in Betrieb gehen.

Das Kopswerk II wird eingebettet sein in einen großen Anlagenkomplex aus Stauseen, Stollen, Druckschächten, Pumpspeicherwerken und Wasserkraftwerken unterschiedlichster Bauart, die den Illwerken gehören, deren Aktien zu 95 Prozent im Besitz des Landes Vorarlberg sind. Hauptstromabnehmer, bzw. Auftraggeber der Regelenergie sind die EnBW, das Land Vorarlberg/Vorarlberger Kraftwerke AG und das Land Tirol/Tiroler Wasserkraft AG.